Feiertage                                                                                                                        05.05.15

Donnernd hallten die Schläge der Hufe durch die engen Straßen.

Laut knarrten und klapperten die Räder der Kutsche dahinter.

In den engen Straßen waberten dichte Nebelschwaden durch die finstere Nacht.

Der aufkommende Sturm riß die Schwaden zu dünnen Fetzen.

In der Ferne donnerte und blitzte es.

Irgendwo schrie schaurig eine Eule.

Einsam bellte ein Hund auf einem Hof.

Plötzlich setzte heftiger Regen ein, der auf der langen, eisernen Brücke wie das Fallen von Münzen klang.

Das Scheppern wurde immer eindringlicher....

Unwirsch schlug meine Hand auf den Wecker, der eindringlich schepperte.

Mist.

Endlich einmal ausschlafen können – und ich hatte vergessen, den Wecker auszuschalten.

Müde und mürrisch warf ich mich auf die andere Seite und versuchte, wieder einzuschlafen.

Zwecklos – nun war ich wach.

Draußen dämmerte es, die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen.

Und aus meinem Schlafzimmer konnte ich den Aufgang eh nicht sehen.

Na, der Tag fing ja gut an.

Da ich ohnehin ein Morgenmuffel bin, schlurfte ich griesgrämig ins Bad und machte mich frisch – wie man so schön sagt.

Es half nichts, meine Laune besserte sich auch beim Frühstück nicht.

Wenn ich gemeint hatte, mit dem Sonnenaufgang würde es heller, so hatte ich mich geirrt.

Grau und trübe gaffte der Tag in die Fenster.

Ich gaffte genauso trübe zurück...

Und mußte lachen.

Der Gedanke, mein mürrisches Gesicht würde den Tag beeindrucken und zu einer Reaktion verleiten, amüsierte mich.

Meine Laune änderte sich schlagartig.

Immernoch grinsend zog ich mich an und machte mich „stadtfein“.

Eine Weile wuselte ich in der Wohnung herum, kramte, wühlte, räumte hier ein wenig zusammen, putzte da ein bißchen...

Da blinzelte mir ein einzelner Sonnenstrahl ins Gesicht.

Erstaunt sah ich nun doch ernstlich aus dem Fenster.

Es mußte doch mehr Zeit vergangen sein, als ich bemerkt hatte.

Der Dunst verzog sich gerade und hinterließ einen strahlend blauen Himmel – verziert mit niedlichen kleinen Wölkchen.

Ich überprüfte nochmal mein „stadtfeines“ Outfit, schnappte mir vorsichtshalber einen der riesigen Regenschirme meiner Sammlung und verließ die Wohnung, das Haus.

Da stand ich nun auf der Straße vorm Haus, gestützt auf den langen Stockschirm, blinzelte in den schmalen Streifen Himmel, den ich zwischen den Häusern sehen konnte und überlegte, was ich nun eigendlich tun wollte.

Denn eigendlich hatte ich ja ausschlafen wollen und den Tag verdödeln.

Langsam setzte ich mich in Bewegung und spazierte zur Hauptstraße an der Ecke.

Kurz hintereinander fuhren zwei Busse an mir vorüber...

Klasse – zu beeilen brauchte ich mich nicht.

Richtig – es war ja Feiertag, die Busse fuhren nur alle 20 Minuten.

An der Bushaltestelle gibt es bis heute keine Sitzgelegenheit.

Endlich kam ein Bus und ich stieg ein – noch immer ziellos und ohne Plan.

Aus Gewohnheit fuhr ich einige Haltestellen und stieg um.

So landete ich am Ku-Damm.

Ich stieg aus und lief ein wenig den Kurfürstendamm entlang.

Aber ich bekam zusehends wieder schlechte Laune.

Die Leute da, meist Touristen in Klamotten, die man als zivilisierter Mensch vornehmlich am Strand oder „auf der Laube“ tragen sollte, die Zugereisten, die dort herumspazierten, als hätten sie ein Schild um - „Seht mich an... ich lebe freiwillig hier, denn ich bin was Besonderes“ und einige Einheimische, die sich bemühten, die Straße möglichst schnell hinter sich zu lassen, frustrierten mich.

Angewidert suchte ich die nächste Fahrgelegenheit und verließ den Touristenkietz.

Diesmal landete ich in Neukölln.

Dort gab es trotz des Feiertags etliche geöffnete Läden.

Und die Karl-Marx-Straße war belebt wie immer.

Entgegen der verbreiteten Meinung, dort würden nur Türken leben, hörte man internationale Idiome auf der Straße.

Das bunte Sprach- und Kleidungsgemisch war wohltuend.

Frauen in dünnen Sommerfähnchen kauften, sich friedlich unterhaltend, mit dicht verhüllten Frauen beim asiatischen Händler.

Die nächste Kundin war eine Frau in einem Kostüm, wie man es in Büros trägt – oder an Bankschaltern.

Vor der Tür saß auf einer winzigen Decke eine ältere Frau mit weiten Röcken und einem großen bunten Kopftuch, das ihr über die Schultern reichte. auf ihrem Schoß ein kleines Kind und vor ihr ein Plastikbecher.

Nebenan saßen einige Männer am Tisch und unterhielten sich in gebrochenem deutsch, bis auf einen, der offensichtlich Deutscher war.

Die anderen Männer waren ein Türke, ein Grieche, ein Inder, zwei Araber und ein Russe.

Um sie herum spielten ihre Kinder.

An einem anderen Tisch saßen die dazugehörigen Frauen und lästerten über die Männer.

Langsam bummelte ich die quirlige Straße entlang, bis ich mich auf eine Tasse Kaffee ebenfalls an die Straße setzte.

Überall das friedliche, feiertägliche Bild eines bunten Miteinanders....

Schade, daß Neukölln von einigen hasenfüßigen Dummschwätzern so ins Negative gezogen wurde und noch wird.

Leben und leben lassen sei die Devise.

Sämtliche Vorfahren der Berliner waren einst Zugereiste....

Teils kriminelle Flüchtlinge, politische Flüchtlinge, religiöse Flüchtlinge...

Oder ins Land geholte Menschen aus aller Herren Länder zwecks Aufbau Berlins.....

Vom tiefsten Russland, quer durch Europa bis Asien, Afrika flohen die Leute nach Berlin oder wurden angesiedelt – seit Alters her.

Ohne Zugereiste gäbe es kein Berlin....damals nicht und heute nicht.

Denn in Berlin gab es nie Ureinwohner.

Doch auch von Alters her waren Berliner stolz auf ihre Stadt.

Auch zu Königs- und Kaisers Zeiten gab es Viertel, in denen Leute mit der selben Herkunft lebten... ob nun das französische Viertel, das russische ( bei Potsdam), das holländische ( auch bei Potsdam) oder innerhalb Berlins die Ortschaften, die von deutschen Zugereisten bewohnt waren: Ostpreußen, Schlesier, Sachsen, Thüringer, Slawen, die aus der Gegend um Berlin stammten bis hin zum Spreewald.

Der Berliner Dialekt ist ein Gemisch aus all diesen Idiomen...

Nicht zu vergessen – viele jiddische Begriffe wurden in den Gebrauch genommen und füllen den Berliner Sprachschatz.

Und der türkische Friedhof ( heute moslemischer Friedhof ) wurde

17 hundertnochwas auch nicht nur für zwei Türken erbaut und mitsamt Umland der Türkei geschenkt. (seinerzeit wohl Osmanisches Reich )

Neukölln ist ein liebenswerter, multikultureller Bezirk – und schwarze Schafe gibt es überall...

Nun gut – mein Kaffee war alle und ich bestieg wieder einen Bus.

Als ich bemerkte, daß ich ins Regierungsviertel fuhr, stieg ich wieder um...

Verbaut, gesichert und am Feiertag leer bis auf die Wachen und Securety... nein, danke.

Nun war ich fast im Kreis gefahren.... und befand mich in Kreuzberg.

Fast nur schwarze Haare zu sehen, Männer mit Schnurrbärten und viele Frauen mit Kopftüchern.

Auch hier ein Bild friedlicher Familien mit ihren Freunden.

So setzte ich mich diesmal in die U-Bahn.

Auch hier buntes Sprachgemisch....

Wedding.

Dort hatte ich in jungen Jahren eine zeitlang gewohnt.

Als ich dort hinzog, erhielt ich eine kleine Geschichtskunde:

Der Wedding war von kriminellen Flüchtlingen im Sumpfgebiet gegründet worden, wo sie sich vor Häschern versteckt hielten....

Aber wie verändert war alles seit meines Wegzugs.

Hier lebten auch viele Ausländer – wie sie albernerweise genannt werden.

Der Mensch ist überall Ausländer – außer zu Hause.

Also kann niemand, der hier zu Hause ist - Ausländer sein...

Die Häuser waren großteils renoviert, seit ich dort wohnte.

Viele Geschäfte und Lokale hatten eröffnet.

Und auch hier – Feiertagslaune.

In einigen Gartenlokalen wurde gegrillt.

Der Geruch machte mir Hunger und ich gesellte mich dazu.

In freundlichen Gesprächen mit meinen Nachbarn aß ich ein wenig vom Gegrillten.

Und unter guten Wünschen und mit Bedauern wurde ich schließlich verabschiedet, denn ich wollte weiter.

Nun zog es mich südlich – in meinen Heimatbezirk.

Dort gibt es zwar auch Dönerbuden und ähnliches, doch man sieht vorwiegend Deutsche.

Auch hier – Feiertagsstimmung...

Doch welch ein Unterschied.

Im Stadtpark saßen die Frauen auf den Bänken und unterhalten sich, während die Kinder irgendwo auf dem großen Spielplatz tobten und kreischten.

Auf einer anderen Bank saßen die dazugehörigen Männer und redeten über Fußball.

Auf den Wegen spazierten Eltern im angeregten Gespräch – größere Gruppen oft getrennt wie auf dem Spielplatz.

Die Kinder rannten drumherum oder bummelten gelangweilt hinterher.

Auf halben Wege begannen die Kinder zu quengeln – was dazu führte, daß die Väter laut wurden zu den Kindern und die Mütter mit ihren Vierjährigen zu diskutieren begannen.

Am Ende des Weges wurden einige Kinder getragen, andere waren verheult und wieder andere zogen so mürrische Gesichter, wie ich am Morgen.

Glücklich sah sehr selten eines aus....

Gott sei Dank - ein Café.

Ich setzte mich und beobachtete den Ausgang des Parks.

Bei der zweiten Tasse Kaffee kam eine Familie aus der Parkanlage...

Die Eltern hüpften und rannten mit ihren Kindern und es gab ein Lachen und Kichern, daß es eine Freude war.

Ein Hund sprang fröhlich um die Familie herum.

Erleichtert leerte ich meine Tasse und ging.

Es gab also doch noch Hoffnung...

Denn in Neukölln, Kreuzberg und im Wedding hatte ich kein trauriges oder mürrisches Kind gesehen.

Ein Stück weiter war ein Bach, an dem ich als Kind häufig spielte.

Dorthin wandte ich mich nun.

Ich entdeckte eine etwas geschützte Bank und setzte mich, um mich an alte Zeiten zu erinnern.

Plötzlich hörte ich ein Schlurfen und eine alte Frau am Rollator nahm neben mir Platz.

Sie grüßte freundlich, sprach über das unerwartet schöne Wetter, wo es doch zuanfangs so trübe gewesen war....

Ich gestehe, eigendlich störte mich ihr Geplapper.

Doch ich bin ein höflicher Mensch... also hörte ich zu.

Dann aber begann sie mich zu interessieren und ich lauschte ihren Worten mit immer größerer Spannung.

Zuerst sah ich die Frau näher an.

Sie war mittelgroß für eine Frau, lief aber etwas gebückt.

Ihre hagere Gestalt war gut gekleidet.

Sie trug einen eisgrauen Bubikopf.

Aber ihr Gesicht!

Ebenfalls hager, durchzogen von unzähligen Falten – besonders viele Lachfältchen um Mund und Augen, jedoch auch rote Tränensäcke, als hätte sie geweint.

Dunkle Augen blickten intelligent aus tiefen Augenhöhlen, doch ihre Farbe war nicht zu definieren, denn mal schienen sie braun, dann wieder eisgrau und endlich dunkelblau, fast violett.

Ihr Mund war zwar faltig, doch nicht eingefallen.

Er hatte noch immer einen wunderschönen Schwung.

Diese Frau mußte einst eine Schönheit gewesen sein, man sah es noch.

Ihre Stimme war erstaunlich klar und kräftig, als sie sprach.

So, wie Sie hier sitzen, scheint mir, Sie suchen ebenfalls vergangene Zeiten“ sagte sie.

Doch darf ich Ihnen von meinen alten Zeiten erzählen, junge Frau?“

erwartungsvoll sah sie mich an.

Ich war wie benommen von dem Eindruck, den diese Frau auf mich machte, daß ich nur nickte.

Im Stillen dachte ich – junge Frau! Ich bin selbst Großmutter...

Die Frau lächelte, als hätte sie meine Gedanken erraten.

Ich darf Sie junge Frau nennen, denn ich bin bereits über hundert Jahre alt...“

Sie grinste breit: „Tatsächlich“

Da mußte ich ebenfalls grinsen.

Ja, gern, das interessiert mich.“

Und das war nicht gelogen.

So wurde ihr Blick ein wenig abwesend, sie blickte in weite Fernen.

Meine Mutter war immer ganz stolz darauf... Du kanntest noch den Kaiser“ begann sie.

dabei wurde ich im ersten Weltkrieg geboren und wuchs in der Weimarer Republik auf.

Aber ich war zu jung, all das Elend um mich herum zu begreifen.

All die Heimkehrer, fast alle versehrt.

Damals war Lichterfelde ein kleines Straßendorf und gehörte zu Steglitz, dem nächstgrößeren Ort mit Stadtrecht.

Beide gehörten zum Kreis Teltow/ Potsdam.

Es war immer ein ziemlicher Weg von Lichterfelde nach Steglitz, quer durch die Felder.

Es fuhr zwar eine Straßenbahn über den Hindenburgdamm, aber wer hatte dafür schon das Geld?

Die Bäke war schon damals eingebaut wie heute, denn der Kaiser hatte sie geopfert für den Teltowkanal, der nun in ihrem einstigen Bett fließt.“

Damit wies sie auf den Bach zu unseren Füßen.

„ Aber es war eine gute Sache, den Kanal zu haben.

Obst und Gemüse kamen so um Tage schneller von Werder nach Berlin.

Der Kaiser hatte den Kanal mitentworfen – und der Panamakanal wurde dem Teltowkanal maßstabsgerecht nachgebaut.

Der Kaiser war sehr stolz auf seine Kanäle und seine Bauwerke.

Er beteiligte sich viel an architektonischen Bauten, wie am KaDeWe und dem Karstadthaus am Herrmannplatz.

Und er wollte Berlin so modern machen wie New York.

So baute er eine S-Bahn vom Anhalter Bahnhof nach Teltow... über Lichterfelde“

Sie lachte leise.

Lichterfelde-Ost, denn Mariendorf wollte die S-Bahn nicht....“

Sie hustete und machte eine kleine Pause.

Er baute auch U-Bahnen in Berlin, doch einigenorts wollten die Leute nicht untergraben werden, so legte er Hochbahngleise für die U-Bahn an.

Auf diese Weise beschäftigte er nicht nur die Berliner, sondern ganz Brandenburg, indem die einen Obst und Gemüse anbauten, andere Fleisch erzeugten für die Stadt und wieder andere brannten Ziegel, lieferten Holz und so weiter...

Dabei waren die Kanäle von äußerster Wichtigkeit.

Wurden die Frachtkähne anfangs noch von Männern gezogen, also getreidelt, führte er bald die Treidelbahn ein, die statt dessen die Kähne durch den Kanal zogen.

Die Treidelbahnen wurden erst mit der Einführung von Motoren an den Kähnen eingestellt.“

Hier unterbrach sie sich.

Verzeihung, aber das erzählten mir Mutter und Großmutter...doch das gehört ja dazu, auch wenn es vor meiner Zeit war.

Immerhin existiert in Klein Machnow bei Teltow noch immer die Bäkemühle.

Das die umliegenden Orte oft auf ow enden, liegt daran, daß sie einst von Slawen gegründet wurden.

Aber ich kann kein slawisch... das spricht man nur noch im Spreewald, wohin sich die Slawen einst zurückzogen.

1928 wurde Steglitz mit seinen Dörfern Berlin angeschlossen, wie viele andere Orte auch – zu Groß-Berlin.

Andere Orte wie Teltow oder Potsdam weigerten sich und behielten ihre Stadtrechte.

Teltow war schon zu Kaisers Zeiten eine Industriestadt, was später in der DDR besonders betont wurde.

Aber zurück...

In Lichterfelde hatte der Kaiser Kasernen und Kadettenschulen gebaut, die Offiziere und Rittmeister erhielten Villen in der Nähe.

Der heftigste Vertreter und Kämpfer für Lichterfelde besaß ein Schlößchen mit Park am Hindenburgdamm, der Vorname ist mir entfallen, aber er war ein Herr Carstenn.

Nach ihm wurde eine Straße benannt, das Schlößchen steht noch und gehört dem Senat.

Doch sein Leichnam liegt in der Krypta der kleinen Dorfkirche auf dem Hindenburgdamm, die trotz der großen Pauluskirche, die der Kaiser bauen ließ, noch immer steht und benutzt wird.

Dann aber blühte Deutschland unter Hitler auf, doch um welchen Preis?

Letztlich endete alles in Schutt und Asche, Kummer und Leid.

Lichterfelde und Steglitz wurden stark bombadiert, wegen der militärischen Einrichtungen.

Noch lange nach Kriegsende standen überall Ruinen.“

Ich unterbrach an dieser Stelle: „ Die Ruinen kenne ich auch noch, als Kinder spielten wir dort... und auf den vielen Baustellen.“

Ja, „ sagte sie, „ es kostete viel Mühe und Arbeit alles wieder aufzubauen – besonders nach dem Mauerbau.

Lichterfelde und Steglitz wuchsen zusammen, wie viele andere Orte auch.

Die Orte hatten ihre Lager und Industrie an den Ortsrändern errichtet.

Nun wuchsen Lagerhallen an Lagerhallen und Fabriken an Fabriken.

Dadurch entstanden überall Streifen, die nicht bewohnt sind, sondern wo sich nur Lager, Fabriken und ähnliches befinden.

Und daher ist Berlin nach wie vor ein Flickenteppich.

Daran haben weder das dritte Reich, oder die DDR, noch der Mauerfall mit der Wende etwas geändert.

Aber die Bäke hat alles überstanden.

Sie entspringt noch immer auf dem Fichteberg und mündet in ihr ursprüngliches Bett.

Übrigens- wußten Sie, daß die grünen und roten Bojen die Fließrichtung aller Kanäle und Flüsse anzeigen?

Das ist ganz leicht zu merken- rot fängt mit r an wie rechts...

wenn nun die rote Boje rechts ist, und grün links - so fließt das Wasser in die Richtung, in die Sie blicken, wenn die Bojen auf ihren Plätzen mit ihren Seiten übereinstimmen.“

Sie brach ab und schüttelte den Kopf.

Ach, herrje – es wird ja schon dunkel!“

Sie erhob sich mühsam.

Danke“ sagte sie „es hat gut getan, ein bißchen Geschichte zu erzählen.

Ich war einmal Lehrerin für Heimatkunde. Schade, daß es dieses Fach nicht mehr wirklich gibt.

Ich könnte noch viel erzählen,,,,

Einen schönen guten Abend noch.“

„ Ich habe zu danken, vieles wußte ich auch noch nicht und Sie haben auch sehr spannend erzählt.

Es hat mich sehr gefreut, Sie kennengelernt zu haben. Vielen Dank und einen schönen Abend noch.“

Wir tauschten noch einige Floskeln, dann schlurfte sie davon.

Ich blieb noch ein Weilchen sitzen unter dem Eindruck dieses Gesprächs.

Dann fiel mir auf – ich hatte sie nichtmal nach ihrem Namen gefragt.

Nun wurde es tatsächlich langsam dunkel und ich nahm den nächsten Bus nach Haus.

Zu Haus aß ich zu Abend und ließ dann den Tag Revue passieren.

Dann machte ich mich fertig zur Nacht.

Hämisch glitzerte mich der Wecker an.

Ich grinste und schaltete ihn aus, damit er mich nicht wieder so früh weckte.

Doch für dieses mal sei ihm verziehen.

Was hätte ich verpaßt, hätte ich ausgeschlafen und den Tag verdödelt, wie geplant!

Dann fiel mir das Lachen der Familie ein, die multikuluterellen Tischnachbarn und Freunde, die freundlichen Gespräche im Wedding und die Erzählung der alten Frau.

Nachdenklich schaltete ich den Wecker wieder ein....

Wer weiß....?

                                       baeke-2852014-klein

                                                             die Bäke

                                    mit Wasserhochstand nach normalem Regen....

 

Laut schepperte der Wecker, als wolle er mich ärgern.

Doch diesmal war ich gewappnet und streckte ihm die Zunge raus.

Mufflig wie immer machte ich mich frisch, frühstückte in aller Ruhe und ließ überhaupt den Tag ruhig beginnen.

Diesmal strahlte die Sonne von vornherein hell vom wölckchengekränzten Himmel.

So verzichtete ich auf den Stockschirm, den ich gestern unnötig mitschleppte.

Nach dem gestrigen Tag wollte ich heut nicht so viel herumfahren.

Ich verließ die Wohnung und ging zum Bus.

Oh Wunder... der Bus kam gerade, als ich die Haltestelle erreichte.

Nun fuhr ich zur S-Bahn und mit dieser nach Wannsee.

Ich hatte Lust auf eine Dampferfahrt.

Gern hätte ich eine der großen Touren genommen, z.B. nach Tegel und zurück, damit wäre der Tag sehr schön vergangen, denn ich wäre erst gegen Abend zurück.

Die Fahrt über die Havel, die Spandauer Schleuse und die Tegler Seen ist wunderschön.

Oder die fünf Seenfahrt vorbei an Potsdam und Werda...

oder die Kleine Wannseefahrt....

Doch an der Anlegestelle waren Himmel und Menschen.

Und ich sah mir die Preise an... verflixt, doch so teuer...

So reihte ich mich in die Warteschlange für die Fähre nach Kladow ein.

Die Fähre fährt alle halbe Stunde und setzt nur eine halbe Stunde über.

Aber dafür kostet sie nur den BVG-Tarif.

Egal – Dampfer ist Dampfer, tröstete ich mich.

Endlich kam ich an die Reihe und nahm auf der Fähre Platz.

Bald löste sich die Fähre von der Anlegestelle und nahm Fahrt auf.

Ich hatte einen Platz an der Reeling und konnte fast das Wasser berühren.

Die Sonne spiegelte sich glitzernd in der Havel.

Von Weitem konnte man das Strandbad Wannsee sehen – es war recht gut besucht.

Ebenfalls von Weitem erschien der Grunewaldturm über den Bäumen.

Segelschiffe bevölkerten die Havel, ebenso wie etliche Yachten.

Auch Surfer waren zu sehen.

Ein Ruderboot eilte sich, aus der Fahrrinne der Dampfer zu kommen.

Die Wellen plätscherten gegen den Rumpf der Fähre.

Leute unterhielten sich – wie immer in allen möglichen Sprachen.

Kinder rannten die Treppen auf und ab.

Eis, Getränke und Würstchen fanden reißenden Absatz.

Nun, wers braucht...

Ich genoß die Überfahrt, das Glitzern des Wassers, die Sonne im Gesicht und den Fahrtwind im Haar.

Doch schnell legten wir in Kladow an.

Ich verließ das Schiff und machte mich an den kleinen Aufstieg zum Ort.

Es war eine seltsame Mischung dort.

Moderne Einkaufsläden wechselten mit alten Gutshöfen und Miethäusern ab.

Ein Bus kam vorüber, der in die Stadt fuhr.

Aber es gab Busse nach Berlin und welche nach Spandau.

Ich bummelte eine Weile durch Kladow, dann machte ich mich auf den Waldweg hinunter zur Anlegestelle.

Dort zog sich Gartenlokal an Gartenlokal entlang der Promenade.

Am Ende der Promenade konnte man direkt ans Wasser.

Schwäne, Enten und Blesshühner ließen sich dort füttern.

Wildgänse liefen auf der Wiese davor herum.

Bänke luden zum Verweilen und Leute lagen zwischen den Gänsen zum Sonnenbaden.

Ich setzte mich dicht ans Wasser, beobachtete Mensch und Tier um mich herum.

Es war sehr entspannend und friedlich.

Langsam bekam ich Hunger.

So begab ich mich in eines der Gartenlokale und bestellte mir Kaffee und Torte, denn ich esse nicht gern in Gärten zu Mittag.

Anschließend bestellte ich mir ein Eis, teurer als Kaffee und Torte zusammen.

Inzwischen hatte ich langsam genug von dem Promenadenleben und spazierte zur Anlegestelle.

Noch fünfzehn Minuten bis zur Abfahrt...

Doch bereits nach fünf Minuten durfte die Fähre bestiegen werden.

Lustigerweise saß ich auf dem gleichen Platz wie zuvor.

Erstaunt stellte ich fest, daß etwas Wind aufgekommen war.

Dann legte die Fähre ab und es ging zurück.

Mitten auf dem Wasser fröstelte es mich plötzlich ein wenig.

Von Potsdam herüber hörte man ein Grummeln.

Hoffendlich zog das Gewitter in eine andere Richtung, denn ich hatte ja diesmal keinen Schirm dabei.

Schon legte die Fähre in Wannsee an und das Schiff leerte sich.

Im Loretta wurde gegrillt, doch ich hatte keine Lust, in dem Ausflugslokal zu essen.

Doch mein Magen machte mir klar, daß ein Stück Torte und ein Eis kein Ersatz für eine anständige Mahlzeit ist.

So fuhr ich nach Lichterfelde zum Hindenburgdamm, wo es ein gutes Lokal gibt mit internationaler Küche.

Doch am besten sind die serbisch/ kroatischen Gerichte.

Ich bestellte mir eine Grillplatte und aß mit Hunger und gutem Apetit.

Es war wie immer köstlich.

Mit der Rechnung reichte man mir einen Birnenlikör.

Satt und wohlig verließ ich das Lokal.

Inzwischen war es später Nachmittag.

Das Gewitter war an Berlin vorbeigezogen und die nachmittägliche Sonne lachte herab.

Planlos lief ich in der Gegend herum, vorbei am alten Hort, meiner alten Schule, vorbei am Haus meiner Kindheit...

Und wie magisch angezogen stand ich wieder vor der Bank an der Bäke.

Die alte Dame saß bereits dort.

Spitzbübisch grinste sie mich an:

Na, junge Frau – noch nicht genug gehört?“ lachte sie.

Wir grüßten uns wie alte Bekannte und ich setzte mich zu ihr.

Nach kurzem Geplänkel stellte ich mich vor und fragte nun doch, wie ich sie ansprechen dürfe, da begann sie wieder zu lachen.

Manchmal wundere ich mich, daß ich meinen Namen überhaupt noch kenne.

Seit jeher nennt man mich Mäuschen und nun im Heim Oma Elli, suchen Sie sich was aus...“

Ich lachte.

„ Was ist Ihnen denn lieber?“ fragte ich.

Na, dann sagen Sie einfach Elli und du...“ grinste sie breit.

Darauf reichten wir uns die Hände.

Wenn du noch einiges hören möchtest über alte Zeiten, dann bitte nicht über Hitler und sein drittes Reich....

Ich war jung und so unbekümmert, wie alle jungen Leute - auch heutzutage.

Nur als einer meiner besten Freunde deportiert wurde, war ich sehr traurig – doch er freute sich darauf, in einer jüdischen Siedlung zu wohnen und wir verabschiedeten uns herzlich.

Sehr viel später erfuhr ich – man hatte ihn nach Sachsenhausen gebracht und er hatte es nicht überlebt.

Aber ich verbrachte viel Zeit mit meinem Freund.

Bei Kriegsbeginn verlobten wir uns.

Einmal kam er auf Urlaub, doch obwohl ich es mir so sehr wünschte, wollte er nicht heiraten.

> Witwen gibt es nun genug. Sollte ich nicht wiederkommen, bist du nicht eine unter vielen Witwen.< sagte er und zog wieder ins Gefecht.

Er fiel bei Stalingrad.

Ansonsten hatten wir viel Glück.

Wir wurden nicht ausgebombt, und während des Krieges hatten wir genug zu essen.

Meiner Mitbewohnerin im Heim erging es wesendlich schlechter – sie ist Heimatvertriebene und hat entsetzliches mitgemacht.

Glaub mir – wir Frauen hatten weder mit Hitler, noch mit Politik viel am Hut.

Und je mehr sich die Bevölkerung lichtete, umso weniger.

Und auch, wenn wir Amerikaner, Engländer, Franzosen und Russen nicht gerade liebten- wir waren froh, daß sie dem Grauen ein Ende machten und begrüßten sie als Befreier.

Doch für Berlin wurde es richtig hart.

Die Besatzer, wie wir sie nannten, teilten Berlin und ganz Deutschland auf.

Wir erfuhren von den Greueltaten in den Kzs, die Stadt lag in Schutt und Asche.

Viele Straßen waren nicht einmal als solche zu erkennen.

Alles, was Hände hatte, begann mit aufzuräumen.

Besonders die Frauen leisteten erstaunliches in schwerer Knochenarbeit.

Trümmerfrauen nannte man sie.

Lebensmittel wurden zugeteilt, Strom gab es nur stundenweise.

Und es folgte ein extrem harter, kalter Winter.

Und um von einem Sektor in den anderen zu gelangen, mußte man den Ausweis vorzeigen.

An den Sektorengrenzen standen zweisprachige Schilder: Sie verlassen den amerikanischen, englischen, französischen oder russischen Sektor.

Dies Schilder standen noch bis zur Wende an den Sektorengrenzen, auch wenn man keine Kontrollen mehr passieren mußte.

Aber je mehr die Alliierten die Grenzen lockterten, umso enger zogen die Russen ihre Grenzen. 

Die Russen wollten gern, daß sich die übrigen Berliner ihrem Sektor anschlossen, denn in Berlin arbeiteten viele in den Westsektoren, kauften aber im russischen Sektor, weil es dort wesendlich billiger war.

Denn inzwischen war neues Geld eingeführt – die D-Mark im Westen, die Mark im Osten.

Doch die Ost- Mark war viel weniger wert.

So kamen die Russen auf die Idee, Berlins Versorgung zu unterbrechen.

Nichts sollte von außen nach West- Berlin gelangen.

Die West- Berliner sollten gezwungen sein, in Ost- Berlin alles nötige zu kaufen, nicht nur Lebensmittel, sondern Industriewaren und Kohle.

Doch die West- Berliner hungerten lieber, als sich anzuschließen.

Und die Alliierten wollten auch den Teufelsberg und die Mariendorfer Höhen nicht aufgeben, weil sie von dort mit ihren Geräten bis nach Russland hinein sehen konnten.

So schufen die Amerikaner die Luftbrücke.

Auf drei schmalen Routen durften sie die russische Sekrorengrenze überfliegen.

So flogen in kurzen Abständen die sogenannten Rosinenbomber durch diese Korridore.

Auf dem Flughafen Tempelhof landete oder startete alle drei Minuten ein Flugzeug.

In kürzester Zeit bauten die Berliner den Flughafen Tegel und die Luftbrücke konnte ausgeweitet werden.

Schließlich gaben die Russen auf und beendeten die Blockade.

Und derweil gingen die Aufräum- und Aufbauarbeiten weiter.

Dann kam es zu blutigen Unruhen in Ost- Berlin.

Die Russen waren aufgrund des Hilfeersuchens Walter Ulbrichts zur Unterstützung gezwungen.

Im Westen wurde dieser 17. Juni als „Tag der deutschen Einheit“ gefeiert, zum Zeichen der Zusammengehörigkeit und der Solidarität.

Doch dann ließ Walter Ulbricht über Nacht die Mauer bauen.

Familien wurden zerrissen, Freunde getrennt, viele kamen nicht mehr von einem Stadtteil in den anderen, um nach Haus zu gehen.

Die DDR hatte sich endgülig eingekapselt.

Anfangs achteten die Behörden darauf, daß dort niemand West-Fernsehen oder West-Radio empfing.

Doch über die Zustände in der DDR maße ich mir kein Urteil an – ich lebte in West-Berlin.

Und überall gab es noch Ruinen, zerbombte Straßen und trauernde Familien.

Doch es ging voran.

Brauchbare Häuser wurden renoviert, zerbombte ersetzt, Straßen asphaltiert und neue gebaut.

Eine neue Straße führte nun von Steglitz nach Lichterfelde – der Wolffensteindamm.

Er mündet noch heut am Händlplatz in den Hindenburgdamm.

Seit der Fertigstellung fährt dort eine Buslinie.

Überall wurden die Straßenbahnschienen entfernt, weil sie unzeitgemäß waren.

Die Stadt setzte auf Autoverkehr.

Stadtautobahnen wurden gebaut.

Doch langsam erwachten die Leute aus ihrer Starre, die all die Zerstörung hinterlassen hatte.

Und sie setzten sich für Berlin und seine Grünanlagen ein.

So wurden einige Trassen nie fertig gebaut.

Berlin ist sehr stolz auf sein vieles Grün, sei es in Gärten oder in Parkanlagen.

Und es wurde wieder auf den Erhalt der Straßenbäume geachtet.

Vieles wurde neu begrünt, was zerbombt oder in der schlechten Zeit „Dieben“ zum Opfer gefallen war.

An der Schloßstraße in Steglitz wurde das „Forum Steglitz“ eröffnet... ein Vorläufer heutiger Einkaufscentren.

An der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche entstand das „Europacenter“

Diese Kirche gilt als Mahnmal gegen den Krieg und wird als Ruine erhalten.

Der „Hohle Zahn“ gilt als eines der Wahrzeichen Berlins.

Die U-Bahnlinien wurden verlängert – in Steglitz vom Walter Schreiber Platz bis zum Rathaus Steglitz.

Der Bahnhof Schloßstraße sollte ein Umsteigebahnhof werden, mit Anschluß an Lankwitz.

Doch das hat sich zerschlagen.

Es war auch die Zeit der Studentenunruhen – doch davon will ich nicht berichten.

In Berlin durfte es kein deutsches Militär geben, daher zogen viele junge Männer nach Berlin, um nicht zum Bund zu müssen.

Doch sie bezogen in ganz Berlin Wohnungen und verwischten gemeinsam mit Kriegsflüchtlingen, das ursprüngliche Berliner Bild, mit deutlich unterscheidbaren

Dialekten und Akzenten.

Trotzdem bemerkt ein aufmerksamer Besucher die Unterschiede zwischen den einzelnen Bezirken.

Die Mentalität variiert von Bezirk zu Bezirk.

Doch dadurch erklärt sich das typische „Fremdeln“ der Berliner.

Erst ma kieken, ob ma seine Neese paßt....

Aber in Anbetracht der Tatsache, daß man niemanden verärgern wollte, nur weil man Herkunft und Gepflogenheiten nicht kannte, machte es Sinn, sich erstmal zu beschnuppern.

Vieles hat sich in Berlin geändert – dieses > erstma kieken< nicht.

Doch der Berliner ist schlagfertig mit dem Mundwerk....was ihm nicht nur Freunde macht.

Aber zurück nach Steglitz.

Der Herrman Ehlers Platz gegenüber dem Rathaus wurde umgebaut und der Kreisel errichtet.

Ein Gebäude mit vielen Pannen, umstritten seit Baubeginn.

Eine Überführung wurde über die Schloßstraße gebaut – mit Anschluß an die Stadtautobahn.

Neben der Überführung entstand auf der Schloßstraße ein Turm mit rundem Gastraum, der sofort als „Bierpinsel“ bekannt wurde und noch heute gut besucht ist, weil man guten Blick über die Stadt hat.

Unsere Bäke aber bekam davon nichts mit.

Sie floß und fließt friedlich seit Kaisers Zeiten als Bächlein dahin.

Doch bei Starkregen füllt sie sich bis zum oberen Rand und wird gefährlich reißend.

Aber sie verhindert Überschwemmungen und Unterspülungen in Steglitz und Lichterfelde.

Seitlich der Bäke steht das Klinikum Steglitz – heute Krankenhaus Benjamin Franklin zur Charite gehörig.

Als es Mitte der sechziger Jahre gebaut wurde, fand man dort bei den Ausschachtungen ein bronzezeitliches Dorf.

Dies wurde komplett nach Düppel umgesetzt und dient dort als Museumsdorf.

Vom Krankenhaus hat man einen schönen Blick über den Teltowkanal und seine Parkanlagen.

Der Teltowkanal beginnt in Griebnitzsee bei Potsdam und mündet bei Grünau in die Spree.

So kann der Kanal noch heut bei eventuellem Überlaufen weder Berlin selbst, noch die Anreihnerbezirke überschwemmen.

Aber das Bäkebett war von sumpfigem Gelände umgeben, wie ja ganz Berlin sumpfigen Grund hat.

So hatte man zu Kaisers Zeiten zwar das Gelände trockengelegt, doch als man am Hindenburgdamm ein Schwimmbad errichtete, versank es nach der Befüllung im sumpfigen Grund.

Daraufhin wurde das Gelände noch weiter ausgetrocknet und ein Stück weiter ein neues Freibad gebaut, welches noch heute in Betrieb ist.

Und an der Ecke Hindenburgdamm/ Drakestraße steht eine Post, die angeblich jährlich einige Millimeter im sumpfigen Grund einsinkt.

Am Kanal findet jedes Jahr ein Rummel statt – die Steglitzer Festwoche.

Aber da komm ich schon lang nicht mehr hin.

Ich bin nun schon viele Jahre im Heim und eine der Ältesten da.

Doch wenn es das Wetter erlaubt, sitze ich hier und genieße die Beschaulichkeit der Bäke.

Wenn sie alles so ungerührt überstanden hat, macht es mir Mut, mein Leben zu ertragen.“

Ich hatte Elli nicht unterbrochen, denn es tat gut, ihr zu lauschen, auch wenn ich vieles selbst wußte.

Nun erzählte ich ein wenig aus meiner Jugend.

Von der alten Fleischerei, die anfangs noch geöffnet hatte, aber dann verlassen da lag – und wir spielten darin.

Vom alten Dorfkrug – in dessen verbotenen Räumen wir uns ebenso umsahen und uns über das Klavier freuten, welches dort noch stand.

Von Ausflügen mit der Klasse zur kleinen Dorfkirche, hinter deren Altar ein geheimer Gang ins alte Pfarrhaus führte, der den Bewohnern das heimliche Ein - und Ausgehen im dreißigjährigen Krieg ermöglichte.

Denn die Kirche war im wahrsten Sinn ihr Bollwerk, gebaut aus dicken Feldsteinen, mit schmalen Fenstern, die gleichzeitig Schießscharten waren.

Von der alten Schmiede, die einem Supermarkt weichen mußte.

Und von den letzten Bauern, mit deren Sohn ich zur Schule ging.

Nun hörte sie fast andächtig zu und nickte nur immer zustimmend.

Doch all das gab es nicht mehr...

Alles war neu bebaut.

In den letzten Jahren bin ich kaum noch irgendwohin gekommen“ sagte sie, „doch bis zu dieser Bank schaffe ich es meist noch.“

Mühsam kam sie auf die Beine und stützte sich schwer auf ihren Rollator.

Ich danke dir für die beiden netten Nachmittage. Es war schön, mit dir in alten Zeiten zu schwelgen.“

Nein, ich habe zu danken. Ich habe doch viel Interessantes gehört von dir und es hat mir großen Spaß gemacht, mit dir zu plaudern.“

Wir sprachen noch einige Nettigkeiten – dann schlurfte sie davon.

Ich erhob mich ebenfalls und machte mich auf dem Heimweg.

Inzwischen war es doch recht frisch geworden.

Es wurde bereits dunkel, als ich zu Haus ankam.

Ich aß zu Abend und legte mich schlafen.

Doch ich nahm mir vor, am Wochenende wieder zur Bank an der Bäke zu fahren.

Es waren erstaunliche und schöne Feiertage gewesen.

Meine Woche verlief ziemlich routiniert.

Das Wetter hielt sich noch immer und ich freute mich aufs Wochenende.

Den Sonnabend verbrachte ich mit aufräumen und putzen.

Doch am Sonntag ging ich bei mir um die Ecke zum Teltowkanal und sah dem Wasser zu.

Die Wellen trieben Richtung Stadt, doch Blätter und Zweiglein, die im Kanal dümpelten, trieben Richtung Griebnitzsee.... rote und grüne Bojen...

Das fand ich ein erstaunliches Bild.

Ich ging nochmal nach Haus und aß zu Mittag.

Dann setzte ich mich in den Bus und fuhr zur Bank an der Bäke.

Die Bank war leer.

Ich setzte mich und wartete.

Doch Mäuschen kam nicht – die Bank blieb leer.

Ich wartete bis zum Abend – vergeblich.

So fuhr ich enttäuscht nach Haus.

Noch mehrmals fuhr ich am Wochenende zur Bäke – doch Elli sah ich nie wieder.

Doch ich erinnere mich immer gern an die beiden Nachmittage mit Elli.

Und ich tröste mich mit dem Gedanken, daß sie noch einmal in alten Zeiten schwelgen konnte.

Nicht in ihren alten Erinnerungen hatte sie geschwelgt...

Aber – sie war einst Lehrerin für Heimatkunde und konnte so noch ein letztesmal lehren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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